Innenansichten
Sonntag, 7. Januar 2007
Eine kleine Landpartie
lilly-charlotte, Sonntag, 7. Januar 2007, 18:49
"Mein Rentenbescheid ist da! Gestern gekommen!" gellt es durch den Hörer.
Die Kaffeemaschine dampft vor sich hin, die kätzischen Mitbewohner verlangen lautstark nach Frühstück, während ich noch überlege, was die Person am anderen Ende der Leitung dazu veranlassen könnte, mir dies um 7.00 Uhr morgens mitzuteilen.
Also intoniere ich erst einmal ein vorsichtiges "Hm". "Nein, Du verstehst mich nicht! Die haben das falsch berechnet!"
Ach herrje, denke ich und versuche mir einen Kaffee zu angeln. Ja, na ja, die Welt ist eben gemein und ungerecht. Auch und gerade zu dieser Uhrzeit. Aber es scheint also doch noch jemanden gegeben zu haben, der meinte, die Renten seien sicher.

Den nachfolgenden Wortschwung nicke ich mehr pro forma während der morgendlich genormten Bewegungsabläufe ab, bis auf einmal die Frage fällt: "Wann könnt ihr denn fahren?" Shit, ich habe irgendetwas Entscheidendes nicht mitbekommen. Also vorsichtig nochmal den Fall von hinten aufrollen.
Nach und nach kommt dann Klarheit in die Sache. Die angeheiratete Verwandschaft am anderen Ende der Leitung hat einige Jahre in einem der neuen östlichen EU-Länder gelebt und gearbeitet. Der ersten grossen Liebe gefolgt.
Aber die romantisch verklärten Erinnerungen wurden abrupt von der Realität eingeholt: Es fehlt eine gewisse Summe auf dem dort geführten Rentenkonto. In der Tat eine nicht unerhebliche Summe: ganz genau und exakte, hüben wie drüben berechnete, sorgfältig geprüfte 0,27 €.
Und ohne Ausgleich des dortigen Rentenkontos können diese Rentenansprüche eben nicht angerechnet werden. Pustekuchen.

"Na ja, das ist natürlich blöd, aber kannst Du das Konto nicht einfach ausgleichen? Überweisung und gut?"
"NEEEEIIIIN!"
Denn Überweisungen können in das besagte Nachbarland erst ab einem Betrag von 1,00 € vorgenommen werden. Keine Ausnahmen möglich.
Also hilft nur noch eine Bareinzahlung vor Ort.
Und jemand, der sie vornimmt.

Natürlich fahren wir. Wir rollen ostwärts, die rentenrettenden Bankdaten im Gepäck und einige hundert graue Kilometer vor uns. Irgendwann passieren wir die Grenze, die so richtig keine Grenze mehr sein mag. Danach Neuland, jedenfalls für mich.
In der nächsten Ortschaft findet sich direkt eine Bank, die jedoch geschlossen ist. Also weiter. Der nächste Versuch gelingt. Während wir die Bank mit dem Einzahlbeleg verlassen, bete ich, dass uns der Mitarbeiter tatsächlich richtig verstanden und nicht nur an den richtigen Stellen freundlich genickt hat.
Wir vertrödeln den Nachmittag, schauen, schlendern, der Kaffee und die wirbelnden Stimmen in dem aufgesuchten Café wärmen, wir sind Touristen für einen Tag. Die Verlockung ist gross, ein paar Tage frei zu machen, was soll´s, einfach ein paar Tage hier oder dort, das Neuland weiter erkunden. Vergangene Zeiten aufleben lassen. Aber es fehlt an Zeit und deshalb treten wir den Rückweg an.
Vorbei an der fast verlassenen Grenze, den Lichtern der Hauptstadt, der Motor tuckert, und während der Prinzgemahl auf dem Beifahrersitz sanft der Realität entkommt und Lyambikos Stimme durch den Wagen fließt, fühle ich mich wunderbar allein, ohne allein zu sein.
Zurück in der Heimat noch schnell den so wichtigen Beleg abgeliefert, nicht auszudenken, wenn der noch irgendwie verloren ginge.
Wenigstens die Rente ist wieder sicher.

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Dienstag, 2. Januar 2007
Gibt es...
lilly-charlotte, Dienstag, 2. Januar 2007, 21:31
... im Moment ein absolut lesenswertes Buch?
Ich habe hier noch einen Gutschein, den ich gerne einlösen würde. Aber bei der ganzen Auswahl kann ich mich so schwer entscheiden... Vorschläge?

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Samstag, 30. Dezember 2006
Tags im Museum
lilly-charlotte, Samstag, 30. Dezember 2006, 19:03
Wer wie ich in der Stadt der Aufsichtsrat-Affären aufgrund von Zugausfällen oder anderer Widrigkeiten Zeit niederringen muss, der besuche doch die aktuelle Ausstellung im dortigen Kunstmusem .
Die Portraits und Fotografien von Lee Miller haben in all ihren Facetten und der Verschiedenartigkeit auch abseits des berühmten Badewannen-Bildes eine meist arrangierte, aber faszinierende Klarheit.

Man steht dort und versinkt in Gesichtern, die es schon lange nicht mehr gibt und es dennoch schaffen, zu berühren.
Im Zusammenspiel mit dem zu Neige gehenden Jahr greift beim Anblick dieser schwarz-weißen Bilder die Melancholie sacht nach einem, erinnert an die vorbeijagende Zeit, das Damals, das Heute, die Möglichkeit eines nicht vorhandenen Happy Ends.
Dann verlässt man die Ausstellungssäale und das Gefühl hebt sich, zerstreut sich beim Verlassen der Stille.
Zurück bleibt der Eindruck einer bemerkenswerten fotografischen Arbeit .

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