Innenansichten
Draussen vor der Tür
lilly-charlotte, Montag, 16. April 2007, 17:28
Letzte Woche, morgens also. Ein freigeschaufelter Vormittag, nur die Sonne und ich und ganz viel Zeit. Zeit, noch im Bademantel durch die Wohnung trödeln, hier und dort zu prütteln, dabei Kaffee zu trinken, begleitet nur von Mrs. Winehouse in stereo. Irgendwann, zwischen Dusche und "den Tag richtig beginnen" kommt die unwiderstehliche Eingebung, den Müll vor die Tür zu stellen, damit ich später dran denke, ihn mit runter zu nehmen.

Und dabei dann, 7.58 Uhr draußen im Hausflur, fällt die Wohnungstür mit einem ganz sanften "Plopp" ins Schloss und genau in diesem Moment mit einem umso lauteren "Fuck" bei mir die Erkenntnis, dass ich keinen Schlüssel bei mir habe. Bademäntel können sich blitzschnell als sehr unpraktische Bekleidung erweisen - insbesondere, wenn sie keine Taschen haben.
Aufgrund der frühen Uhrzeit und einer gewissen Fassungslosigkeit braucht der Denkapparat etwas, um sich mit den Fakten anzufreunden: Der Prinzgemahl ist zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zu einem Termin schon mindestens 150 km von mir entfernt, Tendenz steigend und wird nicht vor dem späten Nachmittag zurück erwartet. Die einzige Person, die noch einen Ersatzschlüssel hat, tummelt sich wahrscheinlich gerade in irgendeinem Pool am Roten Meer. Das Haus ist alt, die Tür auch, aber Schloss und Schließanlage sind "mindesteinbruchsicher", versicherungstechnisch gesprochen. Keine gekippten Fenster, was aber auch schon an der Höhe scheitert. Schlüsseldienst -püh. Habe ich doch just am Abend zuvor erst eine Reportage über ehrenwerte und vor allem weniger ehrenwerte Vertreter dieser Gattung gesehen.
Ich klingele also bei den Tür-an-Tür-Nachbarn, wohl wissend, dass der Rest der Hausbewohner entweder arbeiten oder im Urlaub ist. Glücklicherweise ist jemand zu Hause, nicht sehr wach, aber zu Hause.

Der Prinzgemahl amüsiert sich beim dann folgenden Telefonat köstlich, ich deutlich weniger, was irgendwie mit fehlenden Lösungsansätzen zu tun hat. Währenddessen sucht der Tür-an-Tür-Nachbar Rufnummern von Schlüsseldiensten heraus, aber entweder nuschelt es in Sachen Kostenkalkulation für meinen persönlichen Geschmack etwas zu schwammige Aussagen durch die Leitung oder die Preisvorstellungen für das Öffnen einer zugefallenen Tür sind jenseits von Gut und Böse.
Bevor ich tiefergehende Überlegungen über mögliche Perspektiven für den Tag anstellen kann (Bahnhofsmission? Im Hausflur sitzen bleiben und versuchen, die Tür telepathisch zu öffen?), meldet sich der Beifahrer des Prinzgemahls zu Wort: Er werde jetzt seinen Vater anrufen (den ich immerhin am Tag vorher für eine Viertelstunde kennengelernt habe) und ihn vorbeischicken, damit er sich das Schloss ansieht.
Und der Papa, ganz Gentlemen alter Schule, kommt dann tatsächlich innerhalb der nächsten halben Stunde, beschwingt bewaffnet mit Checkkarte, Werkzeugkasten und einer kleidungstechnischen Ersatz-Grundausstattung von seiner Frau inkl. aprikotfarbenen Baumwollslips für mich.
"Da machen Se sich mal keine Sorgen, Mädchen, dat kriegen wa schon irgendwie hin."
Sprachs frohgemut und versucht sich auch direkt an der Tür. Aber die Tür ist an dem Morgen eigensinnig und zickig und ein bißchen verstimmt und mag sich nicht so einfach öffnen lassen.
Fehlt also nur noch Plan B.

Nach ein paar weiteren Telefonaten dann einen möglichen Unterschlupf für den Rest des Tages gefunden, im Bad der Nachbarn die kleidungstechnische Ersatzausstattung übergeworfen. Ein bißchen zu weit und ein bißchen zu kurz und kombiniert mit den sehr hochhackigen Stiefeletten, die als einzig verfügbares Paar Schuhe vor der Wohnungstür stehen, komme ich mir vor wie ein Trendscout, der die Trends lange vor ihrer Zeit entdeckt - oder lange danach. Aber hauptsache warm und die Gefahr als Erreger öffentlichen Ärgernisses von den Strassen verbannt zu werden, ist zumindest etwas geringer als im Bademantel.
Mein Retter lässt es sich nicht nehmen, mich noch zu meinem Unterschlupf zu fahren und mir einen sehr großzügig bemessenen Notgroschen zuzustecken: "Nee, nee, Sie brauchen doch erstmal einen Kaffee und ein Frühstück, so ganz ohne Geld ist das doch nix."
Der Termin des Prinzgemahls dauert dann wunderbarerweise weniger lang als gedacht, daher am frühen Nachmittag Rückkehr in die Wohnung. Festgestellt, dass die Nachbarn von Mrs. Winehouse bis dahin in Dauerschleife und unüberhörbarer Lautstärke beschallt wurden und dann erstmal in die Badewanne. Und den guten Vorsatz gefasst, mir eins von diesen unsäglichen Schlüsselbändern, die man sich notfalls auch um den Hals hängen kann, zuzulegen.

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diagonale, Montag, 16. April 2007, 18:21
Auch wenn ich beim Lesen laut lachen musste, sende ich Ihnen hiermit mein Beileid. Eine in dem Moment erlebte, sehr unangenehme Situation. Und ebenso schade um den freien Tag, den sie aber nun sogar noch ihren Bloggerkindern Enkelkindern als Schwank aus dem Leben erzählen können.

In einer ähnlichen Situation habe ich einmal, in einer kalten Herbstnacht im alten Käfer meiner Mom in der Garage übernachtet. Ich war nur froh, dass ich just am vorherigen Abend einen verliehenen Schlafsack zurück bekommen hatte.

Ui - sowas ist böse - vor allem noch im Bademantel - eigentlich ja die Bilderbuch-Situation ;) - aber ist ja alles nochmal gut ausgegangen.

Ich hatte auch mal eine ähnliche Situation. Aus der Tür und eine Sekunde nach Schließen selbiger festgestellt, dass der Schlüssel noch drinnen liegt. Tja, was nun? Meine damalige Freundin war nicht zu haus. Ich also erstmal zu den Vermietern, die direkt über uns wohnten. Einen Ersatzschlüssel hatten die natürlich auch nicht. Dafür aber eine Idee, die wohl schon mehrfach verwendet wurde. Mit einem Draht-Kleiderbügel bewaffnet ging's zurück zur Wohnungstür. Da das Haus schon ne Weile älter war, hatten die Wohnungen noch so Türen mit großen Briefschlitzen und so milchigen langgezogenen Fenstern. Das war mein Glück. Zwar brauchte ich ne ganze Weile, um den zurechtgebogenen Bügel über den Türgriff zu buchsieren, aber irgendwann klappte es und ich war in meine eigene Wohnung eingebrochen.

Sollte das jemals meinen Nachmietern in der Wohnung passieren, haben die aber wohl Pech gehabt. Kaum nachdem ich damals ausgezogen war, wurden im ganzen Haus moderne Türen nachgerüstet.

Oh ja, hier gibt es auch diese 30er (? 50er?) - Jahre-Krinkelglas-Scheiben, aber leider keinen Briefkastenschlitz. Und die Glasscheiben sind wider Erwarten außerordentlich stabil. Der Rest der Tür ist dann nachgerüstet worden, deswegen hatte auch die beliebte Checkkarten-Methode keine Chance. Aber die Idee mit dem Kleiderbügel ist wirklich gut - nur für den Fall der Fälle. :-)

@ Frau Diagonale
Wie gut, dass Sie zumindest in den Wagen konnten, sonst wäre das wohl auch eine lange kalte Nacht geworden...;-)

Beruhigt mich übrigens ganz ungemein, dass nicht nur mir so ein Schlamassel passiert. :-)
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schluesselkind, Montag, 16. April 2007, 22:04
Ach herrje... gerade gestern schaute ich beim Bummeln durch Kleinbloggersdorf auf Ihre verlassene Haustür, ohne zu ahnen welche Dramen sich dahinter davor abgespielt haben.

Ja, die Dramen und vor allem die Zeit, die fehlt, das sind schon echte Blog-Verwaisungs-Faktoren. Und soviel anderes Schriftzeugs, das erst erledigt werden will. Ich hoffe, es wird jetzt wieder etwas besser. :-)
Bei Ihnen ist es ja derzeit (leider) auch eher ruhig, gell?
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cosmomente, Montag, 16. April 2007, 22:39
*kicher* Entschuldigen Sie bitte, Sie haben mein allergrößstes Mitgefühl aber..*hihi* von außen betrachtet hat die Situation schon fast Loriot-Niveau :-)

LC ante Portas, quasi. *g

*lach*
Genau! ..und nachdem Sie dann endlich wieder reindurften hätten Sie "Ein Klavier, ein Klavier" rufen müssen ;-)

:-)
Ja, das wäre natürlich stilecht gewesen. Mist. Dann eben beim nächsten Mal.
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novemberregen, Dienstag, 17. April 2007, 10:30
Ich habe mich in einem solchen Moment - der Schlüssel steckte auch noch von Innen, es wäre sehr teuer geworden - mal in völliger Selbstüberschätzung filmreif gegen meine Wohnungstür geworfen. Und sie ging auch noch auf! Ich begreife das bis heute nicht und es ließ sich auch nie wieder reproduzieren ;-)

Sie Arme! Aber ich habe wirklich gelacht und der Prinzgemahlvater scheint ja auch ein sehr netter zu sein :-)

(Kann man Sie sprachlich Richtung Münsterland/Ostwestfalen einordnen oder lieg ich da ganz daneben?

Oh, es war nicht der Prinzgemahlsvater (der aber auch ein sehr Netter ist :-)), sondern der Vater des Beifahrers. Deswegen fand ich das auch so außerordentlich, dass er direkt angesaust kam, weil wir uns bis auf die Viertelstunde vom Vortag wirklich vorher nicht kannten. Dürfte dann aber wahrscheinlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. *g

Huch, ist das so offensichtlich? Oder Sie sehr gut....Und ja, aber zugezogen, da lege ich Wert drauf. *g

Ach so, falsch gelesen. Dennoch sehr sehr nett.

Ich bin sehr gut *g*

Ich hab´s immer gewusst. :-)
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