Innenansichten
Montag, 4. Dezember 2006
Kein Bedarf
lilly-charlotte, Montag, 4. Dezember 2006, 16:08
Welche Reaktion erwartet ein Anfang-Vierziger mit Silber-Print "Young & Rich" Shirt und dezentem R*olex-Replikat auf seinen mit Dackelblick vorgetragenen Satz:
"Mit Ihnen könnte ich mir eine Zusammenarbeit ja sehr gut vorstellen, wir beide wären bestimmt ein super Team." ????
Glücklicherweise fing genau in diesem Moment das Mobile an zu rumoren.

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Samstag, 2. Dezember 2006
Anders
lilly-charlotte, Samstag, 2. Dezember 2006, 11:56
Ein Umzug, bei dem man idiotischerweise zugesagt hat, obwohl man den Umzieher gar nicht kennt. Irgendein Bekannter des Freundes einer ehemaligen Mitstudentin. Aber es ist nur drei Strassen weiter und die neue Wohnung vier Strassen weiter und das Wetter ist annehmbar, also versucht man, sich für diese in euphorischem Zustand getroffene, aber völlig unbedachte Zusage zu motivieren.

Das schmale Treppenhaus riecht nach kaltem Rauch und irgendetwas Undefinierbarem, was entfernt an alte Kleidung erinnert. Irgendwann muss das Haus neu und die Kacheln im Hausflur glänzend gewesen sein, aber davon ist nur noch eine Ahnung übrig.
Die Wohnung ist ein einziges Durcheinander. Kein Umzugs-Durcheinander, Lebens-Durcheinander. Hilflose Stapel von allem, ein Mosaik aus leeren Flaschen, Medikamentenschachteln, verblichenen Kissen. Der Fussboden ist gemustert von Rotwein-Sprenkeln und Kaffeetassen-Ringen.
Es ist nicht die Lieblosigkeit, die aus der Wohnung spricht und auch nicht das Chaos, was einen fröstelt lässt.
Es ist die Trostlosigkeit, die wie eine ungeladene Matrone auf dem Sofa Platz genommen hat, das Steuer übernommen hat, sich hofieren lässt.

Als ich wieder zuhause ankomme, die Wohnungstür aufschließe und mich durchwärmt fühle, bin ich mit einem Mal sehr dankbar für das, was ich habe, auch wenn es eigentlich nichts Besonderes ist.

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Sonntag, 26. November 2006
lilly-charlotte, Sonntag, 26. November 2006, 18:00
Manches bleibt. Unverrückbar festgefräst im inneren Auge.
Die alte Dame sitzt auf dem Bett. Um sie herum Maschinen, Geräte, auf der Fensterbank stapeln sich Medikamente. Sie hat die Perücke abgenommen, die Kahlköpfigkeit ist bedrückend real.
Sie sieht mich an. Schüttelt ganz langsam, unsagbar, unbeschreiblich fassungslos den Kopf. "Das es so schnell gehen kann, hätte ich nicht gedacht. Ich hatte doch noch soviel vor...."
Ihre Stimme verliert sich. Es gibt keinen Trost.
"Mit Unabdinglichem muss man sich anfreunden", hat sie immer gesagt.
Als ich gehe, weiß ich noch nicht, daß ich sie zum letzten Mal gesehen haben werde.

Liebe G., wo immer Du auch bist, ein Teil von Dir wird bei mir bleiben. Obwohl ich mir fast immer wünsche, daß ich den anderen Teil, der, der nun fort ist, hätte behalten können.

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